Die Europäische Gesellschaft für Katholische Theologie würdigt in Trauer und tiefer Hochachtung das theologische Lebenswerk des am 31. Dezember 2022 verstorbenen Papstes Benedikt XVI. Er wird weltweit gewürdigt als der Theologe im Papstamt, der zweite Deutsche nach Papst Hadrian VI. (1522-1523). Mit seinem Namen knüpft er an Papst Benedikt XV. an, den „Friedenspapst“ in Zeiten des 1. Weltkriegs, aber auch an den Ordensgründer Benedikt von Nursia und mit ihm an die christlichen Wurzeln der westlichen Zivilisation. Dieser Weg in das Zentrum christlichen Glaubens und das Ringen um die einheitsstiftende Kraft des Glaubens waren Josef Ratzingers tiefstes Anliegen – als Professor, Bischof, Präfekt der Glaubenskongregation und als Papst. Das zeigen seine bedeutendste Enzyklika „Deus Caritas est“ und die dreibändige Christologie, die er noch als Papst zu Ende geführt hat. Sein theologischer Ansatz, an den Kirchenvätern, vor allem Augustinus, und der scholastischen Theologie franziskanischer Prägung geschult und auf die sich in der westlichen Tradition ausgestaltende Vermittlung von Glauben und Vernunft fokussiert, prägte über Jahrzehnte das Lehramt, bereits in seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation an der Seite von Johannes Paul II., dann als Papst. Als Konzilstheologe konnte er als Berater von Kardinal Josef Frings auf dem 2. Vatikanischen Konzil Akzente für ein an der Heiligen Schrift orientiertes Offenbarungsverständnis setzen, und er gehörte zu den Theologen, die ein neuscholastisches Denken aufbrachen und Kirche und Theologie mit dem Konzil auf eine neue Spur in die Moderne setzten. In den Debatten um diese „Moderne“ in den Jahrzehnten nach dem Konzil wurde er immer mehr zum Mahner vor „Relativismus“ und „Verweltlichung“, und er wurde zum „Hüter des Glaubens“. Die lehramtlichen Positionierungen des Präfekten der Glaubenskongregation und dann des Papstes sind angesichts der vielfältigen theologischen Dispute, die sie vor allem auf den Feldern ökumenischer, interreligiöser und interkultureller Theologie ausgelöst haben, ein Zeichen für die notwendige neue Verortung des Lehramts in den lebendigen und spannungsreichen Dynamiken der Weltkirche. In diesem Sinn ist mit dem Tod von Benedikt XVI. die Ära eines westlich geprägten Papsttums zu Ende gegangen.
Josef Ratzinger / Benedikt XVI. bleibt dabei für die Theologie besonders in Europa ein Vorbild im Ringen um die spirituellen Ressourcen in den Debatten um die Werte in einem offenen und sich in der Welt neu zu positionierenden Europa.
02.01.2023
Prof. Dr. Margit Eckholt
Josef Ratzinger / Benedikt XVI. bleibt dabei für die Theologie besonders in Europa ein Vorbild im Ringen um die spirituellen Ressourcen in den Debatten um die Werte in einem offenen und sich in der Welt neu zu positionierenden Europa.
02.01.2023
Prof. Dr. Margit Eckholt